Island – Unterwegs zwischen Feuer und Eis
Die Sehnsucht nach Weite
“Jedes Jahr ist es dasselbe: Ganz plötzlich ist es da, dieses Gefühl des Unwohlseins. All meine Lebensfreude kippt ins Gegenteil. Fremdheit im eigenen Körper. Zeitlupengefühl. Es ist als wäre ich chloroformgeschwängert: Ich fühle mich regelrecht antriebsschwach. Alles hängt mir zum Halse heraus: diese Eingeschliffenheit im Alltag, diese aufgezwungene, grenzenlose Geschäftigkeit – und vor allem das Wetter. Seit Wochen lasten draußen vor den Fenstern die bleigrauen Wolkenbänke nasskalter Tage über …“
(aus dem Buch: Von der Wüste und vom Meer von Wilfried Erdmann und Achill Moser)
… meiner Heimatstadt. Diese Worte hätten von mir sein können. Die Temperaturen liegen bei Null, ständiger Wind von Nordwesten voll von Schneematsch oder Regen legen sich auf meine Stimmung. Zum Jahresende sorgen die Weihnachtsmärkte und der Geruch von Glühwein noch für Ablenkung. Aber wenn Weihnachten erst einmal vorbei ist, “hängt meine Seele durch wie eine Trauerweide“. Dieses ewige Grau. Ich mag es schwarz oder weiß bzw. Richtigen Winter mit Schnee so weit man gucken kann oder Sommer, der so warm ist, dass man abends lange draußen sitzen kann.
Bevor die Stimmung komplett kippt, fange ich an den nächsten Urlaub zu planen. Eine Woche im Februar habe ich mit meiner Tochter, meiner Tauch- und Reisepartnerin gemeinsam. Erstaunlicher Weise treibt es uns dieses Mal nicht an die warmen Gewässer des Roten Meeres. Dieses Mal wollen wir etwas Neues. Etwas ganz Anderes. Unsere Wahl trifft auf Island, das Land, wo Feuer und Eis zuhause sind, und natürlich die Nordlichter.

Viel Zeit für Planung und Vorbereitungen bleibt uns dieses Mal nicht. Schnell einen Flug und eine Selfdrive Rundtour buchen, noch einen Reiseführer, und ein Zimmer in Reykjavik besorgen. Durch Zufall finde ich noch wasserfeste, warme Hosen. So etwas haben wir noch nicht in unserem Reiseequipment, was eher für wärmere Gefilde ausgelegt ist.
Ein paar Tage später sind wir unterwegs in den eisigen Norden Europas.
Da ist es wieder dieses wunderbare Kribbeln im Bauch, ein Gefühl von Lebendigkeit, wenn es wieder los geht. Die Aufregung und Neugier sind größer als die Angst vor dem Unbekannten.

Impressionen – Kurzfilm
Reykjavik
Ankunft in Reykjavik bei Regen. Es taut. Bis wir allerdings zum ersten Stadtrundgang aufbrechen hat sich das Wetter einige Male geändert. Das Licht schwindet früh hier, doch reicht die Zeit für einen Spaziergang im Zentrum. Start der große Stadtsee Reykjavíkurtjörn. Dickes Eis bedeckt die riesige Fläche. So dick, dass man Fußball darauf spielen kann. Wow. Wie schön. Da werden Kindheitserinnerungen wahr. Zum Glitschen reicht allerdings auch das centimeterdicke Eis auf dem Gehweg. Das erfordert echt meine Aufmerksamkeit. Wir schlendern durch die Altstadt, gucken und kommen erstmal an. Im Hafen ein erster Blick auf die Berge. Da wird das Herz weit und glücklich, einfach frei und unbändige Lust auf das, was kommt. Mittlerweile ist es dunkel und eiskalter Wind pfeift uns um die Ohren. Zeit zum Lesen und vorbereiten der nächsten Tage.






Den nächsten Tag nutzen wir für einen ausführlichen Rundgang zwischen gemütlichen Holzhäusern und der architektonischen Moderne. Die Sonne scheint. Der Himmel ist von einem übernatürlichen Blau. Ist das schön. Wir genießen die Aussicht von der Hallgrimskirkja und finden einen urigen kleinen Park mit Skulpturen von Einar Jónsson ein leckeres isländisches Mittagessen im Cafe Loki.















Auf Besichtigungen oder Museen habe wir bei diesem Wetter keine Lust.
Unterwegs
Am nächsten Tag starten wir unseren Road Trip. Die Aufregung steigt. Wie wird es werden? Was erwartet uns? Auch an Straßenverhältnissen.
Kurz hinter Reykjavik Schneetreiben und leere Straßen. Plötzlich öffnet sich der Himmel und wir finden uns in einer wunderschönen Schneelandschaft soweit das Augen reicht. Gullni hringurinn, besser bekannt als der Golden Circle, mit seinem traumhaften Nationalpark Pingvellir, dem Geysir Strokkur und dem beeindruckenden Wasserfall Gulnarfoss und vieles mehr stehen auf dem Programm.





Das hört sich erstmal nicht viel an. Die Strecken sind kurz. Die Tage aber auch. Um sechs Uhr ist es finster. Zu dem dauert alles länger, weil viele Wege vereisst sind oder gar gesperrt. Den Rest der Strecke bis zum Hotel fahren wir im Dunkeln. Gott sei Dank gibt es sprechende Navis.
Fjorde, unberührte Hochebenen und Islandpferde
Am nächsten Tag ändert sich die Landschaft total. Wir kommen zu den Fjorden. Hohe Berge herab ins Meer, was mal stahlgrau ist und mal türkis. Nach jeder Kurve ein neues Staunen über die großartige Natur. Ein musikalisches Intermezzo im Leuchtturm von Akranes (berühmt wegen seiner unglaublichen Akustik), ein Bad in den heißen Quellen von Krauma, “Abkürzungen“ durch einsame Hochebenen voll zutraulicher Islandpferde, viel unberührte Weite und zahlreiche Wasserfälle machen diesen Tag unvergesslich.







Heute ist es schon lange dunkel als wir den letzten Punkt auf unserer Route erreichen. Zu sehen ist nix mehr. Nur das brechen gewaltiger Wellen war in der Dunkelheit zu hören. Nach einigem Suchen erreichen wir völlig erschöpft unsere Unterkunft: die Arnarstapi Cottages.
Snaefelsnes, das Land der Trolle und ein Eingang zum Mittelpunkt der Erde
Die Küste ist rauh, der Wind kräftig, die Wellenberge riesig. Das Wasser fasziniert mich, und diese unglaubliche Wucht, mit der es auf die Felsen donnert oder auf den Strand. Ich kann mich kaum satt sehen an dem Spektakel. Dann geht es in die Dunkelheit. 45 m unter die Erdoberfläche in einen alten Lavaschacht. Der Gedanke ist irgendwie gruselig. Besonders, wenn man all die aktiven Vulkane auf Island bedenkt.



Die folgende Landschaft ist geprägt von lustigen Gesteinsformationen. Mit etwas Fantasie sieht man sie: die Trolle und wie sie herumspielen.
Unsere Route bleibt küstennah, vorbei an Seehundbänken und traumhaften Steilküsten und Stränden. So abwechslungsreich wie die Landschaft ist auch das Wetter. Von strahlendem Sonnenschein über eisige Sturmböen bis hin zum Gewitter ist heute alles dabei.







Beim Berg Kirkjufell lerne ich übers Eis zu segeln. Im Norden von Snaefellsnes scheint nach einem kurzen Schauer wieder die Sonne und verleiht dem Fischerstädtchen Stykkisholmur eine gemütliche Note. Von hier aus kann man die beeindruckenden Westfjorde erahnen. Deren Besuch definitiv bei der nächsten Islandreise auf dem Programm steht. Nun geht es zurück nach Reykjavik vorbei am beindruckenden Kliff von Gerduberg, von dem wir irrtümlicher Weise angenommen haben, es liegt an der Küste.









Die blaue Lagune und die Brücke der Kontinente
Am letzten Tag zeigt sich Island mehr oder weniger im Regen. So stehen wir nur ein paar Minuten mit den Füßen auf verschiedenen Kontinenten. Ebenso fällt der Besuch der blauen Lagune und der heißen Quellen bei Reykjanesviti kürzer aus. Doch es reicht für ausgedehnte Spaziergänge an rauhen Küsten mit ihren Leuchttürmen und Wracks sowie dem Vulkan Kedir.










Ein letzter Tag in der Hauptstadt
Unseren letzten Tag verbringen wir mit Flohmarkt, den besten Hotdogs, einen Besuch im Perlan und natürlich im Weihnachtsladen. Und damit geht eine abwechslungsreiche Woche voller Eindrücke und Erlebnisse im Land von Feuer und Eis zu Ende.








